Wieso denn Nearshoring fĂŒr EU-Brands. E-Commerce mit Waren auf Fernost funktionierte lange wie am SchnĂŒrchen â Produktion in China, Versand per Container, hohe Margen, stetiges Wachstum.
Doch in den vergangenen Jahren zeigte sich: Dieser Erfolg war fragil. Corona, HĂ€fen schlossen, Container blieben liegen, HandelsbĂŒndnisse brachen und Kunden möchten lokale und hochwertige Waren mit Nachverfolgbarkeit und Story.
Dass die ehemaligen Hersteller aus Asien zunehmend selbst direkt an den europÀischen Markt verkaufen und damit die Zwischenebene der HÀndler herausnehmen, ist nachvollziehbar. Mit identischer Ware wie beim Dropshipping kannst du dich aber nicht abgrenzen. Zudem ist es eine Herausforderung, mit dem Preis des Herstellers selbst zu konkurrieren.
In solchen Momenten wird klar: Entfernung ist ein Risiko. Nearshoring wird dann nicht nur interessant â es wird zum strategischen Muss.
Es hilft nicht nur, Störungen abzufedern, sondern erlaubt dir auch, den Markt aktiv mitzugestalten und deine Kunden als hochwertige Boutique Brande bessere Services zu bieten.
Was heiĂt Nearshoring konkret?
Nearshoring bedeutet, Produktion oder Teile davon ins nahe Ausland oder Inland zu verlagern â zum Beispiel nach Polen statt China, NRW statt nach Vietnam oder nach Portugal statt Malaysia.
Dabei geht es nicht um Nostalgie, sondern um schlanke, flexible Strukturen â mit höherer RĂŒckkopplung, Resilienz und NĂ€he im TagesgeschĂ€ft.
Das Ziel: eine Lieferkette, die in Tagen und Wochen, nicht in Jahren denkt.
Warum Nearshoring jetzt die bessere Wahl ist
FrĂŒher zĂ€hlten allein Arbeitskosten. Heute zĂ€hlen: LieferfĂ€higkeit, Story, StabilitĂ€t, Identifikation und politische Planbarkeit.
1. Globale Lieferketten sind brĂŒchig â NĂ€he ist robust
Geopolitische Spannungen, Pandemien oder Naturkatastrophen â lange Lieferketten brechen schneller, als man denkt.
Laut einer Studie von Supply Chain Brain haben 55âŻ% der EU-Unternehmen ihre KĂ€ufe bei regionalen Lieferanten erhöht, um Risiken abzufedern.
Das Schöne: Mit kĂŒrzeren Wegen lassen sich EngpĂ€sse lokal eingrenzen und schneller beheben â statt monatelange Lieferstopps hinzunehmen.
Ein Beispiel: Insbesondere beim Weg per Zug aus China hatten Marken regelmĂ€Ăig mit teilweise wochenlangen Verzögerungen zu kĂ€mpfen, sodass oftmals nun ein Teil per Luftfahrt voraus geliefert wird.
2. Zeit ist Geld â speditive Lieferzyklen entscheiden
Lieferzeiten aus Asien dauern Wochen, manchmal Monate â das belastet Lager, Cashflow und Planung.
Nearshoring-Lieferanten liefern oft in Tagen, nicht Wochen.
So kannst du Trends frĂŒh erkennen, schnell reagieren und deine Produktpalette dynamischer steuern â statt monolithisch zu agieren.
Du produzierst Hoodies in Portugal? Dann kannst du bei hoher Nachfrage auch einmal wenige Kartons einer GröĂe nachproduzieren lassen und innerhalb von 1â2 Wochen wieder verkaufen.
3. Kommunikation und Kontrolle funktionieren nur mit NĂ€he
Angestaubte Unternehmen, keine Automatisierung schwierige Kommunikation â ist nicht mehr die Norm bei Produktion in Europa
Partner in Europa teilen oft Arbeitszeiten, MentalitĂ€t und QualitĂ€tsverstĂ€ndnis â ebenso wie Sprachkompetenz.
Das spart Zeit, beugt MissverstĂ€ndnissen vor und schafft Raum fĂŒr kontinuierliches Feedback.
4. Kultur ist kein Nebenfaktor â sie ist ein ProduktivitĂ€tshebel
Es geht nicht nur darum, Englisch zu sprechen â es geht darum zu verstehen, was âbis morgenâ wirklich bedeutet.
Diese geteilte Interpretation von QualitĂ€t, Tempo und Timing prĂ€gt Zusammenarbeit â ein unterschĂ€tzter aber entscheidender Vorteil.
Auch kaufen immer mehr Konsumenten bei Marken mit welchen sie sich identifizieren und Ewerte teilen.
Auf neutrale Massenware ohne IdentitĂ€t ein Logo hauen und verkaufen? Das reicht oft nicht mehr. Dropshipping ist kein GeschĂ€ftsmodell fĂŒr Wertigkeit.
5. QualitĂ€t ist lokal oft besser â und nachhaltiger
Ein oft ĂŒbersehener Aspekt: Die QualitĂ€t europĂ€ischer Fertigung ist vielfach höher als in Fernost â besonders bei textilen, handwerklichen oder technischen Produkten.
Viele kleine und mittlere Betriebe in Europa â etwa in Portugal, Norditalien, Polen oder der Slowakei â produzieren mit hoher PrĂ€zision, kurzen Wegen und groĂer Verantwortung fĂŒr Mensch und Umwelt.
Gerade fĂŒr nachhaltige Marken, die Wert auf Transparenz, Fairness und COâ-Reduktion legen, sind solche familiengefĂŒhrten ProduktionsstĂ€tten ideal.
Laut McKinsey ist lokale Fertigung zudem ein SchlĂŒssel, um nachhaltige Markenversprechen glaubwĂŒrdig einzulösen â besonders bei jungen Zielgruppen.
6. Regulatorische und strategische Sicherheit
Die EU fordert zunehmend Transparenz und Nachhaltigkeit in Lieferketten (z.âŻB. CSDDD, Green Deal).
Nearshoring im EU-Raum schafft NĂ€he zur Regulierung und reduziert Compliance-Risiken.
Zudem lassen sich neue Sanktionen oder Regularien viel schneller bewerten â und strategisch nutzen.
Neue Daten â neue Fakten
- 60âŻ% der EU-Unternehmen planen langfristiges Nearshoring â sowohl innerhalb der EU als auch in angrenzende Regionen (Supply Chain Brain).
- Die Weltbank berichtet, dass sich Containerlaufzeiten zwischen Asien und Europa 2021â2022 um 40âŻ% verlĂ€ngert haben.
- Laut einer Analyse von Orka Group reagieren Unternehmen mit lokalen Lieferketten bis zu 45âŻ% schneller auf Marktverschiebungen als Offshore-Betreiber.
FĂŒr wen lohnt sich Nearshoring wirklich?
Wenn du in ultra-preissensiblen Segmenten unterwegs bist â denk an Cent-Margen bei GroĂchargen â, dann bleibt Offshore oft wirtschaftlich attraktiv â zumindest auf den ersten Blick.
Doch sobald du:
- kurze Lieferzeiten brauchst,
- klein-Chargen produzieren willst,
- individuelle oder technisch anspruchsvolle Produkte verkaufst,
- flexibel auf Trends reagieren musst,
- und globalen Risiken möglichst ausweichen willst â
… dann ist Nearshoring oft deutlich besser geeignet als Offshore, weil die Gesamtbilanz â Kosten, Zeit, QualitĂ€t, Risiko â einfach stimmt.
Praktische Beispiele bei E-Commerce-HĂ€ndlern
Viele Marken verlagern inzwischen Teile ihrer Produktion nach Portugal, Polen, Tschechien oder in die TĂŒrkei.
Der Effekt: schnellere Durchlaufzeiten, geringere Mindestbestellmengen und höhere AgilitÀt bei Trendanpassungen.
Eine unserer Brands berichtete, dass die Nachproduktion nach Wechsel von China nach Portugal durch Nearshoring 40% schneller umsetzen konnte â zu vergleichbaren Kosten wie in Fernost, aber mit deutlich höherer Planungssicherheit.
Die harte Bilanz: Geschwindigkeit, Kontrolle, Kosten
| Vorteil | Fernost | Nearshoring |
|---|---|---|
| Lieferzeit | Wochen / Monate | Tage / Wochen |
| Kontrolle | Gering (nur Zoom) | Hoch (Besuch & Echtzeit) |
| Gesamtkosten | Niedrig + Risiken | Moderat + Resilienz |
| Regulierung | Komplex, global | EU-nahe, planbar |
| FlexibilitĂ€t | EingeschrĂ€nkt | Hoch (natĂŒrlich nicht immer) |
Besonders wichtig: Nearshoring erlaubt Produktion in Iterationen statt GroĂchargen, was Testbarkeit, Skalierbarkeit und finanzielles Management deutlich verbessert.
Herausforderungen â aber im Bereich der steuerbaren Risiken
Auch Nearshoring benötigt:
- Vertrauen und eine offene Zusammenarbeit,
- einen erfahrenen Partner.
- direkte KommunikationskanÀle,
- VerstĂ€ndnis fĂŒr regionale Arbeitskulturen,
- langfristige Planbarkeit und UnabhÀngigkeit (vielleicht doch besser 2 Hersteller als nur auf einen verlassen).
Doch selbst wenn etwas schiefgeht: Du erkennst es frĂŒher, kannst schnell eingreifen und nachjustieren. In Zeiten von Unsicherheit ist diese AgilitĂ€t Gold wert.
Fazit: NĂ€he ist kein RĂŒckschritt, sondern Fortschritt
Nearshoring ist keine konservative Kehrtwende, sondern ein strategischer Schritt fĂŒr Premium-AnsprĂŒche. Es ist AgilitĂ€t in der Lieferkette â schnelle Anpassung statt bĂŒrokratischer Planung mit AbhĂ€ngigkeit.
In unserem Kundenstamm beziehen bereits ĂŒber 2â3 aller Brands Produkte aus der EU. Der Fokus liegt auf QualitĂ€t, Service und Langfristigkeit.
Wenn du heute nicht nur billig, sondern schnell, widerstandsfÀhig und kundenzentriert sein willst, mach deine Lieferkette zum Vorteil statt zum Risiko.
Nearshoring ist nicht die Reaktion auf Krisen â es ist eine Investition in ein belastbares, agiles und marktfĂ€higes GeschĂ€ftsmodell.